Neue Schreibwerkstatt in Frankfurt am Main

25.07.2022 16:56
#1
avatar

Ab dem 1. Oktober 2022 startet ein neues Angebot des Landesverbands Psychiatrie-Erfahrene Hessen e.V.: ein monatlich stattfindender Schreibworkshop. Am ersten Samstag eines Monats zwischen 15:00 Uhr und 18:00 Uhr besteht die Möglichkeit zum kreativen Schreiben vor Ort, zum Besprechen und Bearbeiten von Texten. Das Projekt richtet sich an Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung, die Interesse haben, ihre Erlebnisse, Gedanken und Gefühle in Form von Gedichten, Kurzgeschichten und Erzählungen zum Ausdruck zu bringen. Unter Anleitung werden verschiedene Formen ausprobiert und jede*r kann sein oder ihr Repertoire erweitern. Das Ziel ist, literarische Ausdrucksformen zu finden, die einem nicht nur selber helfen, mit den Erfahrungen besser zurechtzukommen, sondern die auch dazu beitragen, den Stoff für Leser*innen spannend aufzubereiten. Der Workshop läuft über 15 Monate bis Dezember 2023 und es wäre toll, wenn sich eine Gruppe entwickelt, die über diesen Zeitraum hinweg zusammenarbeiten und vielleicht zum Schluss eine Lesung oder Veröffentlichung vorbereiten möchte. Angesprochen sind Autor*innen, die schon eine begonnene Arbeit in der „Schublade“ haben, Leute, die sich endlich mal daran machen wollen, über ihre Erfahrungen zu schreiben und Schreibende, die über Veröffentlichungsmöglichkeiten nachdenken.

Leitung: Dr. Susanne Konrad, selbst Mitglied des LvPEH.e.V. und des BPE e.V., ist Autorin zahlreicher Bücher, Aufsätze und Artikel. Besondere Arbeitsschwerpunkte von ihr sind Inklusion und autofiktionale Prosa, was bedeutet, Selbsterlebtes in Literatur umzusetzen. Sie ist promovierte Literaturwissenschaftlerin und Kulturaktivistin. In zahlreichen Schreibwerkstätten und in langjähriger Arbeit in der Erwachsenbildung hat sie Gruppen- und Lehrerfahrung gesammelt. Aktuelle Veröffentlichungen:
• Walzer mit Mr. Spock. Erzählungen. edition federleicht, 2020.
• Kreativ und mutig. Der Weg zum eigenen Buch trotz psychischer Belastungen. Antheum-Verlag, 2022.

Ort: Café Alte Backstube, Dominikanergasse 7, 60311 Frankfurt.
Verkehrsanbindung: S- und U-Bahn Konstablerwache.

Teilnahme: Die Teilnahme an dieser Schreibwerkstatt ist kostenfrei. Ein regelmäßiges Mitwirken ist erbeten. Das Projekt wird durch das Hessische Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) gefördert. Weitere Informationen und Anmeldung bis zum 15. September 2022 unter: susanne.konrad@lvpeh.de oder 0171 991 0865.


 Antworten

 Beitrag melden
23.01.2024 16:39
#2
avatar

Abschlussbericht Schreibwerkstatt - Laufzeit Oktober 2022 – Dezember 2023

Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es Menschen mit psychischen Erkrankungen haben, im etablierten Literaturbetrieb angenommen zu werden. Seelische Krisen können das Schreiben beeinflussen. Außerdem gibt es im Literaturbetrieb Barrieren für seelisch kranke Autor*innen. Hier wollte ich mit der Schreibwerkstatt Brücken bauen. Mein Traum war es, den besonderen Selbstreflexionsbedarf von Menschen mit Psychiatrieerfahrung mit den Gedanken und Methoden des literarischen Systems in Verbindung zu bringen. Ich wollte die Teilnehmenden für das Schreiben begeistern und sie mit literarischen Fragestellungen (Textgattungen, Erzählperspektiven etc.) vertraut machen. Darüber hinaus wollte ich mit Rat und Tat zur Seite stehen, was den Literaturbetrieb und seine Institutionen (Verlage, Literaturzeitschriften, Lesungsveranstalter, Juroren etc.) betrifft. Für uns Menschen mit Psychiatrieerfahrung ist es besonders wichtig, zwischen dem eigenen Ich und der Umwelt zu vermitteln. Darum habe ich die Schreibwerkstatt „Die Welt und mein Ich“ getauft, um dieses auf den Punkt zu bringen.

Das Konzept bestand darin, dass vor Ort gemeinsam geschrieben wurde. Ich überlegte mir ein Thema bzw. eine Fragestellung, die zum Schreiben anregen sollte. In dieser Schreibwerkstatt bestand besonderer Raum für Themen, welche die Psychiatrieerfahrung und ihre Begleitumstände betreffen. Die Schreibzeit sollte bei zwanzig bis dreißig Minuten liegen. Je inhaltsbezogener die Themenvorgabe war, desto offener und reflektierender wurden zumeist die entstehenden Texte. Beispiel: Zu einer Frage wie „Soll ich mich outen oder meine Psychiatrieerfahrung besser verschweigen“? entstanden Erfahrungsberichte, Reflexionen oder kleine Essays. Zu einem Thema „Wie Ayla aus ihrer Schublade kletterte“ wurden die Teilnehmenden eher zum Schreiben einer Kurzgeschichte motiviert. Ich versuchte stets, das zu mischen: Einerseits den für Psychiatrieerfahrene wichtigen Themen, die anderswo kaum zur Sprache kommen, Raum zu geben, andererseits aber auch an das Verfassen literarischer Formen wie Kurzgeschichte oder Gedicht heranzuführen.

Wichtig war das gemeinsame Vorlesen nach dem Schreiben. Niemand wurde gezwungen, aber es hatte eine erleichternde Wirkung, das Geschriebene mit anderen zu teilen. Verschiedene Reaktionen der Zuhörenden waren möglich: Schweigendes Zur Kenntnis Nehmen, spontane Kommentare oder ein wenig Textkritik. Verschiedenes war möglich, aber Hauptsache, die Rückmeldungen waren wertschätzend. Ich als Leitung bemühte mich, zu jedem gehörten Text etwas zu sagen, das der Verfasserin, dem Verfasser spiegelt, was er gemacht hat (z.B. „Du hast ein reimloses Gedicht geschrieben, das gehört in den Bereich der Lyrik“), das hilft, nicht nur sich selbst, sondern auch ihr literarisches Produkt zu reflektieren.
Am Anfang gab es eine kurze Befindlichkeitsrunde und am Schluss ebenso. Die Pausen wurden nicht nur für Gespräche genutzt, sondern auch für Fragen zu bestehenden Schreibprojekten außerhalb der Schreibwerkstatt. Fragen zu Veröffentlichungs- oder Lesungsmöglichkeiten konnten im kleineren oder größeren Kreis angesprochen werden.

Ein besonderer Höhepunkt war eine Lesung der Teilnehmenden im Rahmen der Frankfurter Psychiatriewoche am 9. September 2023 in der vertrauten Lokalität „Alte Backstube“. Diese Veranstaltung stand im offiziellen Programm, was für den Zulauf durch ein Publikum sorgte, das nicht nur aus Verwandten und Freunden der Lesenden bestand. Dieser Effekt einer gewissen Öffentlichkeit trug zum Erleben einer Lesungssituation bei. Von allen Mitmachenden wurde dies sehr gewürdigt.

Fazit

Das Konzept der Schreibwerkstatt hat sich besonders für Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Vorkenntnissen bewährt. Diese habe ich auch damit ansprechen wollen. Etwa die Hälfte der Teilnehmenden hat bereits längere Texte geschrieben, teils auch veröffentlicht. Die übrigen sind mit den Fragestellungen rund um das Schreiben vertraut bzw. sehr an der Thematik interessiert. Die Umsetzung war durch zeitliche und räumliche Gegebenheiten nicht immer einfach. Durchhaltevermögen und kontinuierliches Dranbleiben waren erforderlich, von mir und auch von den Teilnehmenden. Aber ein Angebot für diese Zielgruppe zu schaffen, war wichtig, denn zwischen den Angeboten des Literaturbetriebs, die oftmals unerreichbar bleiben, und einem rein therapeutischen kreativen Schreiben gibt es nicht genügend Möglichkeiten. Hier wollte ich für psychiatrieerfahrene Schreibende eine Lücke schließen. Es ist mir gelungen, aus dem Nichts eine Gruppe aufzubauen und zu halten. Der Wunsch nach einer Fortsetzung der Schreibwerkstatt ist wiederholt geäußert worden. Hoffentlich klappt es, in der Zukunft ein neues Angebot zu machen.


 Antworten

 Beitrag melden
29.01.2024 12:15
#3
avatar

Vielen, vielen lieben Dank das du deine Erfahrung mit uns teilst, darüber freue ich mich sehr. Habt ihr eine Weiterführung beantragt? Es würde mich sehr interessieren ob ihr weiter machen könnt.
DANKE für dein Tun!
Silvia

>>> Kommunikation ist der erste Schlüssel zur Kooperation! <<<

 Antworten

 Beitrag melden
31.01.2024 11:17
#4
Ut

Ein Vernetzungsangebot: www.pandora-selbsthilfe.de Mail: info@pandora-selbsthilfe.de ist ein Selbsthilfeverein von PE in Nürnberg. Wir veröffentlichen seit Jahrzehnten vierteljährlich ein Infoblatt. Kann kostenlos auf Anfrage bezogen werden. Außerdem haben wir inzwischen einen Instagramm Account, der über unsere Website zugänglich ist. Wir haben eine kleine Arbeitsgruppe, die sich Themen überlegt, überlegt wer am besten darüber etwas schreiben könnte, selber Texte schreibt. Diese Texte werden in der Arbeitsgruppe diskutiert, stilistisch und inhaltlich. Wenn wir alle mit einem Text zufrieden sind, kann er veröffentlicht werden. Wir arbeiten online. In Präsenz treffen wir uns eher zum Feiern. Wir freuen uns, wenn sich unsere Gruppe vergrößern würde. Das dialogische Konzept ist uns wichtig. Mal wird der eigene Text stark verändert, mal bleibt er nahezu unverändert. Ich muss das aushalten können.
Die Redaktion des Infoblattes entscheidet, welche Texte, Gedichte und Bilder veröffentlicht werden, schlägt den Autoren evtl. Veränderungen vor. Das Infoblatt hat eine fixe Seitenzahl. Pandora ist ein psychiatriekritischer, trialogischer Verein. Wir erleben immer wieder, dass AutorInnen sehr ungehalten werden, wenn wir eine Veröffentlichung ablehnen, oder eine Veränderung wünschen. Das Problem mit der Grenzsetzung halt. Der Baype hat auch eine Zeitung und ist ebenfalls offen für Texte, wie ich weiß.

Ich habe eine private Frage: ich habe vor Jahren einen trivialen Text geschrieben. Ich denke, er kann veröffentlicht werden (KorrekturleserIn wilkommen). Ich suche eineVeröffentlichungsmöglichkeit, die mit dem geringsten Aufwand, den größten Profit bringt.
Wer kann mir Ratschläge geben?

Etwas ganz anderes: ich habe einen messbar schlimmen Tinnitus. Tinnitus geht immer mit einer Hörminderung einher! Ich war in einer Schwerhörigen Reha und weiß einiges zu diesem Thema: psychologische ,Verhaltensprobleme, wann Hörgeräte, Akustiker etc.. Ich gebe gerne Auskunft, soweit ich kann.


 Antworten

 Beitrag melden
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!